Neben meiner Tätigkeit als Heilpraktiker für Psychotherapie in Gladbeck, Gelsenkirchen Buer, Bottrop Kirchhellen und den umliegenden Gemeinden, schreibe ich psychologische und pädagogische Fachaufsätze und Bücher. Eine Auswahl meiner Veröffentlichungen finden Sie im Folgenden.
Zudem halte ich Vorträge und gebe Seminare zu psychologischen, pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Themen.
Ein Thema, das für mich eine Herzensangelegenheit darstellt und sich wie ein roter Faden durch meine akademische Laufbahn zieht, ist die wissenschaftliche Betrachtung der Lebensumstände von Kindern- und Jugendlichen. - Daher möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, Ihnen eine meiner Veröffentlichungen näher vorzustellen: „Crash-Kids“.
Jugendliches Risikoverhalten und eine offenbar jugendspezifische Neigung zur Selbstüberschätzung scheinen im öffentlichen Bewusstsein untrennbar miteinander verbunden zu
sein.
Assoziationen zu diesem Thema sind meist negativ konnotiert. - Kein Wunder: Selbst- und fremdgefährdende Mutproben Jugendlicher sind in den Medien allgegenwärtig und längst dienen
Online-Videoportale als exponierte Plattformen, um Risikohandlungen der meist männlichen Jugendlichen zur Schau zu stellen: Jugendliche springen von Kanalbrücken, balancieren auf
Brückengeländern, stellen sich – wartend auf den nächsten Zug – auf Bahngleise oder versuchen Autobahnen zu überqueren. Ein neuer Trend: „Rooftopping“ – Jugendliche erklettern ohne Sicherung hohe
Gebäude und fotografieren sich nach der Ankunft in schwindelerregender Höhe.
Auch wenn sich diese Beispiele auf einem äußerst hohen und nicht repräsentativen Risikoniveau bewegen: Das Stereotyp vom unreflektiert handelnden Jugendlichen, der Gefahren in Kauf nimmt, als
gäbe es kein Morgen mehr, festigt sich. Läuft eine Mutprobe aus dem Ruder, ist schnell vom jugendlichen Leichtsinn oder von jugendlicher Selbstüberschätzung die Rede. [...]
Die Ergebnisse der vorliegenden Evaluierung legen den – vermeintlich altbekannten – Schluss nahe, dass hypothetisches Denken und praktisches Handeln weit auseinanderliegen: Mädchen überschätzten
sich in einem signifikant hohen Maße, treten jedoch als Protagonistinnen selbstgestalteter Risikoszenarien kaum in Erscheinung. Dieser Erkenntnis muss insbesondere deshalb eine erhöhte
Aufmerksamkeit zuteilwerden, da die im Forschungsdesign gewählten Risikosettings vornehmlich den Präferenzen männlicher Jugendlicher entsprechen und Mädchen de facto eher zu interiorisierten
Risikopraktiken neigen.
Im Feld der männlichen Untersuchungsteilnehmer zeigte sich das gegenläufige Bild: Hier konnte im Gros keine signifikante Tendenz zum selbstüberschätzenden Denken gezeigt werden. Dem scheinbar
widersprechend, treten männliche Kinder und Jugendliche in ihrem praktischen Handeln deutlich häufiger als Akteure ihrer selbstinitiierten, nach außen gerichteten, risikobezogenen
Verhaltensweisen in Erscheinung.
Ebenso deuten die Ergebnisse der vorliegenden Erhebung darauf hin, dass so einleuchtend erscheinende Konstrukte wie das des jugendspezifischen Egozentrismus oder jenes des adoleszenten Narzissmus
nicht ausschließlich zur Klärung risikobezogener Verhaltensweisen herangezogen werden können. Andere Faktoren wie das soziale Umfeld, die geistigen und körperlichen Kompetenzen, kulturelle
Einflüsse, Gruppendynamiken oder gesellschaftliche Imperative stellen ebenso richtungsweisende Faktoren dar und müssen demgemäß ins Kalkül gezogen werden.
Aus dieser Einsicht heraus kann gesagt werden, dass wir – die Gesellschaft, das soziale Um-feld, die Freunde und Freundinnen – eine wichtige Einflussvariable darstellen können und somit auch in
der Verantwortung stehen, jugendliches Risikoverhalten differenzierter zu betrachten. Es wäre schlichtweg zu kurz gegriffen, jugendliches Risikoverhalten einer allgemein existierenden Disposition
zur Überschätzung der eigenen Person zuzuschreiben, als „pubertär“ mit einem Schulterzucken abzutun. Jugendliches Risikoverhalten stellt sich als ein komplexes Bedingungsgefüge dar, welches
wichtige soziale und psycho-hygienische Funktionen erfüllt und durch komplexe innere und äußere Umstände und Interaktionsschemata initiiert werden kann. – Das Bild der sich selbstüberschätzenden,
wenig reflektierenden und aus der Realität entrückten Jugendlichen darf in diesem Licht allenfalls als ein kritisch aufzulösendes Stereotyp einen Platz im wissenschaftlichen Diskurs finden und
muss im gesellschaftlichen Bewusstsein als falsch, überkommen und realitätsfern verankert werden. So darf auch die Darstellung der jugendlichen Tendenz zu risikobezogenen Verhaltensweisen im
meinungsbildenden (massen-) medialen Umfeld nicht anklagend konnotiert, auf einzelne reißerische Vorkommnisse (Stichworte: Kanalspringen, „Komasaufen“, Suizide/Suizidversuche) reduziert und nicht
auf Grundlage von einzelnen pseudowissenschaftlichen Vorurteilen und Versatzstücken limitiert werden.
Erlebnispädagogische Ansätze müssen uns hier den Weg weisen und weiter in den öffentlichen Fokus gelangen. Eine zentrale Bedingung hierfür ist, dass gesellschaftliche Bewusstwerdungsprozesse
deutlich über den medialen Rummel, der „verhaltensauffällige“ Jugendliche in Bootcamps zur Schau stellt, hinausgehen.
Ein zentrales und übergeordnetes Ziel unserer Gesellschaft muss sein, Freiräume zuzulassen. Freiräume, die es ermöglichen, partnerschaftlich ein geeignetes Umfeld zu schaffen, welches jungen
Menschen auf angemessene Weise fordert und fördert, ohne das Gefühl zu vermitteln, auf jede Frage eine Antwort zu kennen oder kennen zu müssen. Sie sollte beidseitig akzeptierte Räume generieren,
welche die Anziehungskraft lebensbedrohlicher Betätigungsfelder kompensieren können, ohne eine hinreichende Abarbeitung zu verhindern. Diese Beidseitigkeit, welche die Existenz zweier Pole
impliziert – Jugend- vs. Erwachsenenwelt –, darf als nichts Verwerfliches verstanden werden oder gar als Kluft, die es zu schließen gilt. Jugendliche sind anders, sie sind keine große Kinder oder
kleinen Erwachsene. Sie müssen sich Ihren entwicklungsimmanenten Herausforderungen, Ängsten und Zweifeln stellen, um daran wachsen zu können.
Jugendliches Risikoverhalten muss ernstgenommen werden. Eine leichtfertige Abschiebung in ein gesellschaftlich problematisiertes Nischendasein als sinnentleerte oder originär destruktive
Attitüde, die allenfalls als störend und nicht nachvollziehbar empfunden wird, darf nicht noch weiter zum kollektiv verinnerlichten Automatismus mutieren. Risikobezogenes Verhalten muss
vornehmlich als das akzeptiert werden, was es ist: eine Entwicklungsaufgabe. Eine Entwicklungsaufgabe, die öffentlichen Raum einnimmt und einfordert. Wir müssen einsehen, dass dieser Raum von
Kindern und Jugendlichen frei mitgestalten werden kann und darf, fernab jeglicher „Sorgenfaltenpädagogik“ (Schneider 2000) und eines Jugendbildes, welches „Jugendliche .. als gesellschaftliche
Pflegefälle oder Ansammlungen von Defekten, Defiziten und Devianzen [diskreditiert, mj]“ (Lindner 2004, S. 33).
Letztendlich ist jugendliches Risikoverhalten als legitimer und notwendiger Baustein der menschlichen Genese, Teil unseres psycho-sozialen und kulturellen Erbes, das es verdient,
verantwortungsvoll angenommen zu werden.
Literatur:
Schneider,W. (2000): Elendsverwaltung und Sorgenfaltenpädagogik? Zur Entwicklungsgeschichte akzeptanzorientierter Drogenarbeit. In: Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, 1/2000, S. 13 –
18.
Lindner, W. (2004): Jugendliche in der Stadt. Pädagogische Jugendforschung im Horizont von Subjektivität, Adoleszenz und Urbanität. In: Helsper, W./Kamp, M./Stelmaszyk, B. [Hg.]: Schule und
Jugendforschung zum 20. Jahrhundert. Festschrift für Wilfried Breyvogel. Verlag für Sozialwissenschaften, S. 24-39.
Meine Veröffentlichungen: Da der Preis von Fachbüchern oft weit über 40 EUR liegt, habe mich entschieden, ein paar meiner Bücher als günstige E-Books oder Taschenbücher neu aufzulegen. Jedes E-Book kostet 0,99 EUR, jedes Taschenbuch um die 9,90 EUR. - Zu diesen Preisen, muss dann nun wirklich kein Mensch mehr zum Psychologen gehen... Viel Spaß beim Lesen!
Herzliche Grüße,
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